Expedition #biosommergemüse – Zwei Tage auf dem Gut Rothenhausen bei Lübeck

veröffentlicht in Ausflüge Unterwegs Wissenswertes am 17. Juli 2017

Das Thema Bio war bei uns in der Familie nie der Rede wert. Zwar hatten wir, als ich klein war, mal eine Art Gemüsekiste und manchmal hat Mama beim Lebe Gesund Versand bestellt, aber ansonsten haben wir zu einfachem Supermarkt Obst und Gemüse gegriffen. Und so habe ich das für mich auch übernommen. Ich kaufe viel beim Discounter und achte mehr auf die Preise als auf die Herkunft. Zumindest war das bisher immer so. Vor einigen Wochen war ich zu Gast auf dem Gut Rothenhausen, eine Hofgemeinschaft und Demonstrationsbetrieb Ökologischer Landbau in der Nähe von Lübeck. Zwei Tage, die mich zum Umdenken angeregt haben.

Bereits seit 1976 wird der Hof von drei Generationen nach DEMETER-Richtlinien bewirtschaftet. Eigentümer des Hofes ist ein Verein, der sich um das Fortbestehen des Hofes kümmert. Nachdem sich drei Familien als GbR zusammengeschlossen haben und die 110 ha von dem Verein pachteten, sind es mittlerweile schon fünf Familien plus Lehrlinge und Angestellte, die sich um alles kümmern. Auf dem Hof finden sich neben Gewächshaus und Vieh auch eine Käserei, eine Backstube und ein Hofladen. Alles ist in den Händen von vielen und wird mit Liebe und Gemeinschaft biologisch dynamisch bewirtschaftet und gepflegt.

Bei einer kleinen Hofführung haben wir kurz nach unserer Ankunft alles kennengelernt. Philipp, der Landwirt hat uns den Stall der 30 Milchkühe und deren Nachzucht gezeigt, wir waren in der Bäckerei, haben uns die Schweine und Kühlmöglichkeiten angeschaut. Der Hof ist ziemlich groß und es gibt überall etwas zu entdecken. Besonders schön finde ich, dass auf dem Gut stets das Verhältnis wichtig ist: es gibt nur so viele Tiere, wie man Dünger braucht, aber auch nur so viele Tiere, wie man ernähren kann. Genauso wird in der eigenen Mühle auch nur so viel Getreide gemahlen, wie zum Backen benötigt wird. Und gibt es einmal zu viel Milch, wird diese von Arla/Hansano abgeholt und weiterverarbeitet.

Am Gewächshaus wartete Jenni bereits auf uns, die für den Anbau von Gemüse zuständig ist. Auf dem Hof gibt es allerlei Sorten, die im Hofladen oder über einen Lieferservice verkauft werden. Im Gewächshaus stehen unter anderem Gurken, Aubergine, Tomaten und etwas Kräuter. 95% werden selbst angezogen und nur einige Tomaten, Porree und Rosenkohl wird auf Grund von Platzmangel dazu gekauft. Weiterhin wird sehr viel Wert auf samenfeste Sorten gelegt, die nachbaufähig und widerstandsfähig sind. Diese benötigen zwar deutlich mehr Zeit als Hybride und sind dementsprechend teurer im Verkauf, doch sie machen den Landwirt auch unabhängig und sind meist viel aromatischer. Um Jenni zu zitieren: “Hybride sind Einbahnstraßen”. Überall wird sehr viel Wert auf die Demeter Richtlinien gelegt. So werden auch keine Pestizide gespritzt. Kranke Pflanzen und Blätter werden immer sehr zeitig entfernt, einige Pilze lassen sich mit Molke oder Sauerkraut entfernen und Schädlinge werden mit Nützlingen bekämpft. So steht auch vor jeder Reihe im Gewächshaus eine Tagetis, die Nützlinge anziehen soll.

Fun Fact am Rande: wir haben an dem Abend sogar noch Basilikum gesät, den jeder von uns vergessen hat.

Nach der Rundführung haben wir uns tatkräftig mit Bio Spitzenkoch Tino Schmidt an die Vorbereitung des Abendessens gemacht. Natürlih mit ganz vielen Zutaten vom Hof. Zugegebenermaßen war ich anfangs etwas skeptisch, da ich dachte, es gibt nur vegetarisches Grillgut, aber ich wurde eines Besseren belehrt. Es gab zwar letztendlich doch etwas Fleisch, aber gebraucht hätte ich es eigentlich nicht. Wir haben Gemüsespieße vorbereitet, Kräuterbutter gemacht, Tomaten-Chutney und Salsa Verde.

Tino hatte zuvor schon Grillkartoffeln vorbereitet und Caro, die Käserin hat uns während der Zubereitung etwas zu ihrere Arbeit erzählt. Zum Grillgut gab es außerdem frisches Ciabatta und Baguette aus der Bäckerei. Ein Traum! Mein Highlight war jedoch der frische Grillkäse. Ich habe noch nie einen besseren gegessen und bin fast etwas traurig, dass ihr ihn nicht hier vor Ort bekomme. Dazu das Baguette mit Kräuterbutter und das Tomaten-Chutney und ich war absolut zufrieden. Aber auch die Pilze vom Grill sowie die Gemüsepfanne und die geräucherten Tomaten waren wirklich sehr lecker. Es gab nichts, was mir nicht zugesagt haben und vom Fleisch habe ich letztendlich nur einen ganz kleinen Haps probiert – gebraucht hätte ich es definitiv nicht. Jeder ist an diesem Abend satt und zufrieden gewesen. Fleischesser, Vegetarier und Veganer. Pappsatt sind wir nach dem Sitzen am Lagerfeuer in unsere Unterkünfte gefahren.

Am nächsten Morgen ging unsere Reise zurück zum Gut Rothenhausen an der Kuhherde vorbei, die gerade auf die Weide getrieben wurde. Ich habe das erste mal bewusst in meinem Leben Kühe mit Hörnern gesehen und irgendwie war dieser Anblick beruhigend. Wie süß es auch einfach war, dass die Kühe teilweise gewartet haben, um sich einreihen zu können. Nach der letzten Kuh sind wir dann zum Frühstück und konnten erneut Produkte vom Hof probieren. Die Croissants und der Käse haben mir besonders gut geschmeckt. Ich liebe ja eh frische Backwaren und guten Käse. Hab mir auch direkt welchen im Hofladen gekauft.

Frisch gestärkt ging es mit dem Trecker aufs Feld, wo wir selbst Gemüse ernten durften und noch weitere Informationen zum Anbau bekommen haben. Die Felder werden in einer neunjährigen Fruchtfolge bewirtschaftet, um dem Boden genügend Zeit zu geben.

  1. Kleegras, Winterfutter und Weidefläche
  2. Kleegras, Winterfutter und Weidefläche
  3. Kleegras, Winterfutter und Weidefläche
  4. Hafer, Futter- und Verkaufsgetreide
  5. Weizen/Gemüse, Backgetreide / Hofladen&Lieferservice
  6. Futterleguminosen, Buchweizen, Futter
  7. Dinkel, Back- und Verkaufsgetreide
  8. SommerGerste+Erbsen/Kartoffeln, Futtergetreide / Hofladen&Lieferservice
  9. Roggen mit Kleegrasuntersaat, Back- und Verkaufsgetreide

Ich war ganz begeistert von der Vielfalt an verschiedenem Gemüse. Natürlich war noch nicht alles erntereif, aber es gab doch genügend Auswahl, so dass ich mich kaum entscheiden konnte, was ich nehmen wollte.

Letztendlich habe ich mich für ein Bund verschiedener Radieschen, einen Spitzkohl und Fenchel entschieden. Alles habe ich mittlerweile verarbeitet und war begeistert. Es gab gratinierten Fenchel, Nudeln mit Fenchelgrün, Radieschensalat und eien Spitzkohlpfanne mit Hackfleisch und Nudeln. Ich habe das Gemüse im Kühlschrank gelagert, wo es sich sehr gut bis zu zwei Wochen gehalten hat.

Etwas durchgefroren und geschafft kamen wir zum Mittagessen zurück, wo wir gemeinsam mit der gesamten Hofgemeinschaft gegessen haben. Es gab ein Sellerieschaumsüppchen, Linsenbolognese und eine Panna Cotta mit Beerenspiegel, bevor es an den Heimweg ging.

Abgesehen davon, dass das Wochenende ein kulinarisches Highlight war, habe ich sehr, sehr viel gelernt und wurde vor allem zum Umdenken angeregt. Bereits an den Tagen danach habe ich im Supermarkt vermehr nach Biogemüse gegriffen und schaute bei dem Fleisch, das ich fürs Grillen kaufte, auf die Herkunft. Ich fand es wundervoll zu sehen, mit wie viel Liebe auf dem Gut Rothenhausen mit Lebensmitteln, den Tieren und vor allem auch miteinander umgegangen wurde. Beim Essen gibt es beispielsweise das Ritual, dass gemeinsam vor dem Essen gesungen wird. Das zu sehen, war wirklich schön. Ich möchte dieses Umdenken in Zukunft beibehalten. Ja, Bio- und vor allem DEMETER-Gemüse ist deutlich teurer als konventionelle Produkte, aber es steckt auch eine Menge Arbeit und Liebe drin. Als Studentin kann ich es mir nicht leisten, mich komplett von biologischen Lebensmitteln zu ernähren, doch gerade bei Obst- und Gemüse werde ich in Zukunft vermehrt darauf achten und probiere auch, selbst Gemüse anzubauen – mit mäßigem Erfolg. Naja … eigentlich komplett ohne Erfolg. Aber ich probiere es weiter und ein bisschen Herz habe ich auf dem Hof verloren.

*Ich wurde von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau zu diesem Event eingeladen. Meine Meinung beruht jedoch einzig und allein auf meinen eigenen Erfahrungen und meiner eigenen Meinung.

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1 Kommentar

  • Antworten Aufs Land mit Söbbeke: Wie ich dem Bremer Sturm trotzte, um mich mit Biokäse zu verwöhnen | girlontravel 17. Oktober 2017 um 15:44

    […] habe ich ja schon einmal über einen Demeter Hof berichtet. Bei Bioland sind die Richtlinien etwas anders. Zum Beispiel dürfen bei Biolandprodukten bis zu 5% […]

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